Mit diesem Artikel führen wir die Artikelreihe zum PERMA-Modell von Martin Seligman fort. Den Hauptartikel dazu findest du hier. Damit lassen wir auch unseren Blog nach einer längeren Corona-Pause wieder aufleben. Euch erwarten hier in Zukunft wieder viele spannende Artikel rund um die Themen Positive Psychologie und Unternehmenskultur.
Viele Monate war es still hier auf unserem Blog. Das hatte auch einen Grund, den Du Dir vermutlich schon denken kannst: wie die meisten Unternehmen sind auch wir stark von der Corona-Krise getroffen und stehen vor ganz neuen Herausforderungen. Wir bekommen es auch bei vielen Unternehmen und Personen aus unserem Netzwerk mit – im Moment kämpfen viele ums Überleben, das Stress-Level und die Belastung sind hoch.
Als Unternehmen, dass das Thema „Positive Emotionen“ quasi schon im Namen trägt werden wir dabei natürlich auch durchaus mal mit der Frage konfrontiert, ob solche positiven Themen in Krisenzeiten denn überhaupt relevant sein können. Ist es vielleicht sogar vermessen, über positive Emotionen und Glück zu sprechen, wenn gerade doch so viele Menschen negative Emotionen erleben und unter starkem Stress stehen?
Traditionell hat sich die Psychologie schon immer eher den negativen Emotionen gewidmet und versucht, das Leid der Menschen zu reduzieren. (In diesem Artikel gehen wir auf diesen historischen Hintergrund der Positiven Psychologie im Detail ein.) Gerade in Krisen sind negative Emotionen ein spannendes Thema in der Psychologie, weil sich in solchen Zeiten zeigt, wieso wir negative Emotionen überhaupt fühlen. Normalerweise empfinden wir sie nur als lästig, ja teilweise sogar als stark belastend. Doch wenn plötzlich eine Krise über uns hereinbricht, zeigt sich der evolutionäre Nutzen diese Emotionen.
Plötzlich verleitet uns die Angst dazu, Orte mit großen Menschenansammlungen zu vermeiden oder Türgriffe mit unserem Ellbogen zu öffnen – und damit vielleicht eine Infektion abzuwenden. Gemeinsame Enttäuschung über den „verlorenen“ Sommer mit all den geplanten Ereignissen kann uns mit unseren Freunden und unserer Familie enger zusammenbringen und unsere Empathie fördern. Und die Wut hilft uns vielleicht im Supermarkt, um unsere Konkurrenz um die letzte Packung Klopapier zu überwältigen 😉
In unserer evolutionären Geschichte haben negative Emotionen zum richtigen Zeitpunkt einen entscheidenden Nutzen gehabt. Aber wie sieht es mit den positiven Emotionen aus? Klar, sie fühlen sich gut an. Aber das kann nicht genug sein. Würden positive Emotionen nicht auf die ein oder andere Weise unser Überleben oder unsere Fortpflanzung begünstigen, wären sie in der Maschinerie der Evolution schon lange wegrationalisiert worden. Was kann also der Grund sein, dass wir sie immer noch (hoffentlich) tagtäglich erleben, wenn wir den ersten Schluck Kaffee am Morgen trinken oder eine gute Freundin wiedersehen? Eine mögliche Erklärung liefert die Psychologin Barbara Fredrickson mit ihrer „Broaden-and-Build“-Theorie. Und sie bringt erstaunliche empirische Befunde in die Diskussion mit ein, die ihre Theorie unterstützen.
Die Broaden-and-Build-Theorie
Broaden-and-Build bedeutet auf Deutsch etwa Wachstum-und-Erweiterung. Laut Fredrickson nehmen positive Emotionen in der Evolution eine entgegengesetzte Funktion zu den negativen Emotionen wie Angst oder Wut ein. Negative Emotionen sorgen allgemein dafür, dass wir uns mental kleiner machen, unser Fokus enger und schärfer wird und wir mit kurzfristigen Situationen bestmöglich umgehen können. Positive Emotionen haben dagegen eine erweiternde Qualität. Sie vergrößern unsere Aufmerksamkeit und unser Denk- und Verhaltensrepertoir und regen uns zu persönlichem Wachstum an.
So zeigt sich in verschiedenen Experimenten, dass wir in einer positiveren Stimmung mehr Verhaltensimpulse zeigen, also aktiver werden. Bei komplexen Aufgaben kommen wir auf mehr und kreativere Problemlösungen. Auch allgemein erkennen wir Zusammenhänge besser. In sozialen Kontexten zeigen wir ein offeneres Verhalten und schenken Menschen leichter unser Vertrauen. Und sogar auf einer physiologischen Ebene zeigt sich die erweiternde Wirkung, etwa indem wir eine verbesserte Sicht im peripheren Bereich des Sichtfelds haben.
All diese Effekte bieten einen großen evolutionären Vorteil. Klar, wenn uns der sinnbildliche Säbelzahntiger aus dem Busch anspringt oder neben uns jemand eine Waffe zückt, muss unser Fokus glasklar und auf den einen relevanten Reiz gerichtet sein, der zwischen Leben und Tod entscheidet. Aber wenn wir gerade die Möglichkeit haben zu entspannen, mit unseren Freunden abzuhängen und es keinen direkten Handlungsbedarf gibt, dann ist es sinnvoller, eine weitere, langfristigere Perspektive einzunehmen. Positive Emotionen helfen uns dann, einen soliden Freundeskreis zu bilden, einen finanziellen Puffer aufzubauen oder uns von Anstrengungen zu erholen. Auf diese Ressourcen können wir dann wiederum zurückgreifen, wenn wir in eine Krise kommen. Wenn wir dann auf die Hilfe unserer Freunde zählen können, unser gesunder Körper eine virale Infektion besser abwehren kann oder wir eine gewisse Zeit von unseren Ersparnissen leben können, können wir die Krise deutlich besser überwinden.
Krisengestalter
Positive Emotionen haben noch einen weiteren entscheidenden Vorteil. Wenn wir zu sehr in unserer Angst versinken oder verbittert über unsere Situation sind, verengt sich unser Fokus zu sehr und wir sehen ab einem gewissen Punkt den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dadurch kann es uns in Krisenzeiten schwerer fallen, die Chancen in den Herausforderungen zu sehen.
Vielleicht bietet die Krise eine einzigartige Möglichkeit, über uns hinauszuwachsen und uns neue Fähigkeiten anzueignen. Vielleicht sollten wir gerade jetzt nach links und rechts schauen und den Menschen um uns herum zur Hilfe eilen, wodurch sich tiefe Beziehungen ergeben können, die auch noch nach der Krise Bestand haben werden. Vielleicht eignen wir uns jetzt adaptive Verhaltensweisen und Routine an, von denen wir noch viele Jahre profitieren werden (gründliches Händewaschen oder eine größere Offenheit fürs Home-Office sind nur zwei Beispiele).
Bewahren wir uns also unsere positiven Emotionen bei oder investieren wir sogar Zeit und Energie, um diese aktiv zu fördern, können wir wieder in eine proaktive Haltung kommen und zu Gestaltern der Krise werden, anstatt zu passiven Opfern. Wir denken also, dass positive Emotionen gerade in Krisenzeiten eine elementare Rolle spielen und keinesfalls vernachlässigt werden sollten.
Deshalb wollen wir auch besonders in diesen Monaten unseren Beitrag dazu leisten, dass möglichst viele Menschen Zugang zu den Erkenntnissen der Positiven Psychologie bekommen und ihre positiven Emotionen wieder selbst in die Hand nehmen können. Dieser Blog hier, ist ein Versuch, das zu erreichen.
Doch natürlich sind positive Emotionen nicht genug für ein erfülltes Leben. Das PERMA-Modell von Martin Seligman beschreibt noch 4 weitere Komponenten, die dazu notwendig sind. Welche das sind, erfährst du in den kommenden Artikeln. Trag Dich am besten noch schnell in unseren Newsletter ein, um die nicht zu verpassen!