Was glaubst Du ist das größte Gesundheitsrisiko für uns Menschen im 21. Jahrhundert? Ist es eine Pandemie? Der Schaden, der durch Genussmittel wie Alkohol oder Zigaretten entsteht? Oder verlangt Fettleibigkeit unserem Körper den stärksten Tribut ab?
Die Antwort ist: nichts davon. Das ist die erstaunliche Bilanz, die die Psychologin Holt-Lunstad und ihre KollegInnen zogen, als sie die gesamte Studienlage der letzten Jahre auswerteten. Die unterschiedlichsten Risikofaktoren und Einflüsse auf unsere Gesundheit hatte man in zahlreichen Studien untersucht. Die Probanden und ihr Gesundheitsverhalten waren komplett durchleuchtet worden: Treiben Sie Sport? Wie viele Zigaretten rauchen Sie am Tag? Wie steht es um Ihren BMI bestellt? All diese Variablen wurden in die Rechnung mit eingespeist und am Ende ein fetter Strich gezogen. Eine Variable stellte sich dabei mit Abstand als der stärkste Einflussfaktor heraus. Mit diesem Ergebnis hatte keiner gerechnet:
Die eine Frage, die den größten Einfluss auf unsere Gesundheit hatte und das Sterberisiko um unglaubliche 50% beeinflusste war:
Wie eingebunden fühlen Sie sich in Ihr soziales Umfeld?
Oder etwas weniger wissenschaftlich ausgedrückt: wie einsam bist Du? Mit wie vielen Menschen hast Du regelmäßig tiefgründige Kontakte? Wie viele Menschen kannst Du mitten in der Nacht anrufen, wenn Du ein Problem hast? All diese Komponenten fassten die Forscher mit dem Begriff „Soziale Eingebundenheit“ zusammen. Diese soziale Eingebundenheit war für die Gesundheit der Menschen in den Studien entscheidender als der Konsum von 15 (!) Zigaretten am Tag, ihr Körpergewicht oder ob sie Sport trieben oder nicht. Und diese Effekte waren unabhängig von dem Alter und Geschlecht der Menschen.
Auch in anderen zusammenfassenden Studien dieser Art (auch „Meta-Analysen“ genannt) fand man vergleichbare Effekte. Menschen in sozialer Isolation hatten ein schlechteres Immunsystem, vermehrte Entzündungen und waren anfälliger für eine Reihe gesundheitlicher Probleme wie Herzerkrankungen oder Diabetes (was insbesondere in Anbetracht der derzeitigen Situation und den Corona-Beschränkungen allarmierende Ergebnisse sind!).
„Other People Matter.“
Der mittlerweile verstorbene Psychologe und Gründervater der Positiven Psychologie, Christopher Peterson, verwies auf diese Tatsache bereits ganz zu Beginn der Entstehung der Positiven Psychologie hin. Sein gesamtes Leben und seine wissenschaftliche Karriere hatten ihn zu der Überzeugung gebracht, dass unsere sozialen Beziehung der eine wichtige Faktor für ein erfülltes Leben sind. Er scherzte manchmal, dass sich sein einstündiger Vortrag zur Positiven Psychologie auch auf diese 5 Sekunden runterbrechen ließe: Other people matter. Andere Menschen (und unsere Beziehungen zu ihnen) sind wichtig.
Das war auch der Grund, wieso die Relationship-Komponente im PERMA-Modell von Martin Seligman nicht fehlen durfte. Du kannst noch so tolle Erfolge verzeichnen und der bedeutungsvollsten Tätigkeit im Beruf nachgehen. Wenn Du niemanden hast, mit dem Du diese Erfolge, Erfahrungen und Geschichten teilen kannst, wird Dir immer etwas fehlen. Seit Christopher Peterson jene bedeutungsvolle Aussage geprägt hat, sind viele Jahre vergangen und viele PsychologInnen haben sich mit der Frage auseinandergesetzt, was wir denn nun tun können, um erfüllendere Beziehungen zu führen und unsere Verbundenheit mit unseren Mitmenschen zu stärken. Zwei wichtige Erkenntnisse möchten wir Dir hier vorstellen:
Geh auf fünf zu eins!
Eine erste wichtige Erkenntnis zum Thema Partnerschaften lieferte der Psychologe John Gottman. Dieser Beziehungsforscher besaß die erstaunliche Fähigkeit, mit einer Genauigkeit von 94% vorhersagen zu können, ob ein Paar in drei Jahren noch zusammen sein würde oder nicht. Diesen Partytrick verdankte er nicht einer magischen Glaskugel oder hellseherischen Fähigkeiten, sondern einer konkreten Beobachtung. Er hatte in seiner Arbeit mit Paaren festgestellt, dass ein bestimmter Aspekt in ihrer Kommunikation absolut kritisch für die Harmonie und das Fortbestehen der Beziehung war: das Verhältnis von 5:1.
5:1 wovon fragst Du Dich? Mit dieser Quote bezog Gottman sich auf das Verhältnis von positiven Momenten und Interaktionen zu negativen Momenten. Wie oft kommunizierten die Paare mit positiven, bestärkenden Botschaften? Wie oft gab es auf der anderen Seite Streitgespräche und negative Botschaften? Je näher dieses Verhältnis an 5:1 war, als desto gesünder entpuppte sich die Beziehung nach drei Jahren. Ein Überwiegen negativer Interaktionen war dabei ebenso wenig zielführend wie die Beziehungen, in denen nie irgendwelche Konflikte auftraten. Wenn jemandem etwas gegen den Strich ging, war es wichtig, dass diese Irritation offen angesprochen werden konnte. Aber dafür sollte es auch viele Momente geben, in denen das Zusammenleben harmonisch und angenehm war – bestenfalls fünf.
Aktiv-konstruktiv oder passiv-destruktiv?
Zu einer ähnlichen Erkenntnis gelangte auch die Psychologin Shelly Gable. Sie identifizierte in ihren Studien vier unterschiedliche Arten der Kommunikation. Stell Dir einmal vor Du triffst Dich nach einer gewissen Zeit mit einer guten Freundin wieder und sie erzählt Dir voller Begeisterung, wie gut es gerade in ihrem Leben läuft und wie sie vor kurzem befördert wurde. Wie Du jetzt (und allgemein in solchen Situationen) reagierst ist elementar dafür, wie sich eure Beziehung in Zukunft entwickeln wird. Gable unterscheidet grob zwischen vier Möglichkeiten:
Besonders toxisch wäre es, wenn Du aktiv versuchst, die Stimmung Deiner Freundin runterzuziehen und ihr ihr Glück schlecht zu reden (z.B. weil Du Deiner Freundin ihren Erfolg nicht gönnst). Es ist denke ich offensichtlich, dass bei dieser aktiv-destruktiven Kommunikationsart eure Freundschaft nicht lange bestehen wird. Etwas weniger direkt, aber dennoch sehr schädlich wäre es, wenn Du zwar nicht ihr Glück schlecht redest, stattdessen aber versuchst das Thema zu wechseln und z.B. anfängst von Dir selbst zu erzählen. Mit diesem passiv-destruktiven Kommunikationsstil lässt Du Deine Freundin dennoch spüren, dass Du Dich nicht mit für Sie freust und bestenfalls überhaupt nicht an ihrem Glück interessiert bist.
Etwas besser ist da schon die passiv-konstruktive Art. Hierbei nimmst Du den Erfolg Deiner Freundin zumindest bewusst wahr und erkennst ihn an. Allerdings gibst Du keine Energie in die Konversation und versuchst nicht, Deine Freundin in ihrem Aufstreben weiter zu bestärken. Vielleicht ringst Du Dir noch ein müdes „Freut mich für Dich“ ab. Wirklich aufbauen kann eure Beziehung darauf aber nicht. Erst, wenn Du aktiv-konstruktiv Deine Freude über die Erfolge Deiner Freundin zum Ausdruck bringst und Dein aufrichtiges Interesse an ihrem Glück signalisiert, wird sich Deine Freundin wirklich gesehen und wertgeschätzt fühlen.
Die Zutaten erfüllender Beziehungen
Ähnlich wie bei dem 5:1 Verhältnis von Gottman fand auch Gable heraus, dass es diese positiven, bestärkenden Interaktionen in jeder Beziehung (ob freundschaftlich oder partnerschaftlich) braucht, damit diese Beziehung wachsen und gedeihen kann. Überwiegen die destruktiven oder passiv-konstruktiven Momente, wird die Beziehung langfristig stagnieren oder sogar toxisch werden.
Wenn Du also diese beide Aspekte im Blick behältst und Dich bemühst, die natürlicherweise auch mal auftretenden Konflikte und negativen Momente mit ausreichend positiven, aktiv-konstruktiven Momenten und Botschaften zu garnieren, dann schaffst Du damit eine gesunde Grundlage für langfristig erfüllende Freundschaften und Partnerschaften. Es wird Dir leichter fallen, neue Freunde zu finden und Deine bestehenden Beziehungen werden sich immer weiter festigen. Und somit meisterst Du einen weiteren Baustein der PERMA-Formel: die erfüllenden Beziehungen.
Dieser Artikel ist Teil unserer Artikelreihe zum PERMA-Modell von Martin Seligman. Wenn Du wissen möchtest, was es mit den restlichen beiden Komponenten des Modells auf sich hat, dann trag Dich am besten direkt in unseren Newsletter ein. Im kommenden Artikel werden wir uns dann der Meaning-Komponente (also der Sinn-Komponente) widmen.