Schon mal was von Bullshit-Jobs gehört?
David Graeber ist Anthropologie-Professor an der London School of Economics und hat mit dem Begriff „Bullshit-Jobs“ eine Welle der Empörung als auch Zustimmung losgetreten. Hier ist nicht die Rede von Jobs, die schlecht bezahlt werden, keinen Status mit sich bringen oder die einfach unangenehm sind. Ganz im Gegenteil – es handelt sich um Berufe, die sinnlos, unnötig oder schädlich sind, aber meist sehr gut bezahlt sind. Graeber vertritt die Auffassung, dass gesellschaftlich gesehene sinnvolle Jobs vermehrt durch Automatisierungen durch z.B. Computerprogramme und Roboter „aussterben“. Sätze wie „Mein Job hat keine Existenzberechtigung, ja der macht einfach keinen Sinn.“ oder „Ohne meinen Job wäre die Welt gleich oder sogar besser aufgestellt.“ können erste Hinweise auf die sogenannten Bullshit-Jobs sein. Graeber macht jedoch auf die Abgrenzung zu Shit Jobs aufmerksam, denn bei den sogenannten Sch**ß-Jobs zeigt sich ein gesellschaftlicher Nutzen, welche aber vielleicht von manchen Menschen als prekär wahrgenommen werden. Beispiele hierfür sind Tätigkeiten im Gebäudereinigungsbereich oder bei diversen Dienstleistungen.
Warum der Job sinnlos ist…
Laut den Studien, die Graeber durchgeführt hat, zeigt sich ein erschreckendes Bild. In Großbritannien seien nur 15 Prozent der Befragten sich sicher, dass die eigene Tätigkeit eine Kontribution für die Gesellschaft darstellt. Zudem gaben 37 Prozent der Interviewten wieder, dass sie absolut sicher seine, mit ihrem Job keinen Beitrag zu leisten. Auch wenn einige Kritiker gegen diese Zahlen sprechen, geht es doch schlussendlich um die Frage, warum diese überhaupt existieren, wo wir doch als Gesellschaft so um Effizienz und Optimierung bemüht sind?
Graeber erklärt, dass wir der Annahme sind, dass unser Wohlstand durch die Dienstleistungsbranche in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist. Doch der Schein trügt, denn seit den 1930ern liegt der Anteil an „echten Dienstleister:innen“ wie z.B. Servicekräften, oder Friseur:innen weiterhin bei rund 20 Prozent. Dabei hatte bereits der britische Ökonom John Maynard Keynes eine 15 Stunden Woche prophezeit, bei der es im Umkehrschluss zu einer Arbeitszeitverkürzung komme und mehr Zeit für mehr Freizeit und angenehme Dinge verfügbar wäre. Doch der technologische Fortschritt inklusive Computer, Automatisierung und Maschinen wie z.B. Roboter führten eher zum Gegenteil: 40 Stunden Wochen oder sogar mehr inklusive Überstunden.
Es zeigt sich ein Art Präsentismus, bei dem es darum geht, besser anwesend zu sein und einer sinnlosen Arbeit nachzugehen, anstatt keiner Tätigkeit nachzugehen. Auch wenn Aufgaben schneller und effizienter erledigt werden können, wird der restliche Tag irgendwie totgeschlagen, da man sonst möglicherweise nutzlos wirken könnte. Aber denkt doch jemand an all das humanes Kapital und Potential der Gesellschaft, welches dadurch verloren geht.
Kategorie Bullshit-Job
Laut Graeber und seinen Auswertungen von über 250 Fallstudien kann man Bullshit-Jobs in fünf Kategorien teilen – wir hoffen natürlich sehr, dass Du deine Tätigkeit in den folgenden Auflistungen nicht wieder findest und meinen dies keineswegs despektierlich. Falls doch, lies bis zum Ende weiter, dort verraten wir dir eine mögliche Lösung.
- Flunkies = Lakaien: Jene Tätigkeiten verfolgen das Vorhaben, den Status von anderen wie z.B. Vorgesetzten oder Kunden zu dokumentieren und diese Personen wichtig aussehen zu lassen. Laut Graeber zeigt sich dies z.B. bei Empfangspersonal oder Portiers, deren Aufgabe es ist, für Besucher:innen den Aufzugsknopf zu drücken.
- Goons = „Schläger“, „Rowdys“: Bei diesen Aufgaben steht die Notwendigkeit an Aggressivität im Vordergrund, da jene Jobs nur dann stehen, wenn andere Menschen diese Stellen erschaffen haben und man diese in Schach halten muss. Beispiele können sich von PR-Spezialisten, Lobbyisten bis hin zu Armeen erstecken, denn laut Graeber würde niemand eine Armee benötigen, wenn niemand eine hätte.
- Duct Tapers = Flickschuster: Wie der Name es bereits verrät, handelt es sich hierbei um Tätigkeiten, deren Fokus im Zusammenschustern liegt. Das heißt man ist mit der temporären Lösung von Problemen beschäftigt, welche gar nicht existieren sollten und auch nicht an der Wurzel angepackt werden. Ein Beispiel hierfür sind Angestellte, die Texte voller Grammatikfehler von Fachexpert:innen korrigieren dürfen oder Programmier:innen, welche fehlerhaften Code ausbessern dürfen.
- Box Tickers = Kästchenankreuzer: Jene Personen sind hauptsächlich mit der Dokumentation von Aufgaben und Arbeit beschäftigt, um diese zu legitimieren. Dabei verrichten diese Personen selbst meist keine nützliche Arbeit. Graeber erwähnt hier Verwaltungsabteilungen aber auch Unternehmen, die ihre eigenen Mitarbeiter:innen-Magazine veröffentlichen.
- Taskmasters = Aufgabenverteiler: In dieser Kategorie wird zwischen zwei Gruppen unterschieden. Generell lässt sich jedoch sagen, dass hier das Erstellen und Verteilen von sinnlosen Aufgaben im Vordergrund steht. Die erste Gruppe verteilt solche Aufgaben, ist sich aber auch bewusst, dass die Mitarbeitenden diese so oder so ausführen würden. Als Beispiel wird von Graeber das mittlere Management erwähnt. Die zweite Gruppe muss erst sinnlose Aufgaben kreieren, welche anschließend delegiert werden können. Als Beispiel für die zweite Gruppe können Lehrer:innen oder Forscher:innen herangezogen werden, welche Lesitungsbeurteilungen oder Rechtfertigungen im Sinne von strategischen Leitbildern und Plänen vorweisen und in ihren Alltag integrieren müssen anstelle der tatsächlichen Arbeit nachzugehen.
Folgen solcher Tätigkeiten…
Mal ehrlich: Wer kann sich für sinnlose Aufgaben oder Tätigkeiten tagein tagaus wirklich begeistern? Daher sind es nicht nur die jüngeren Generationen der Arbeitswelt, welche einer Tätigkeit nachgehen, die sinnstiftend ist und nachhaltig etwas zu unserem Sein und Tun beiträgt. Laut den Schweizern Autoren Philippe Rothlin und Peter Werder strebt jeder Mensch danach, denn bei andauernder Langeweile können sich Symptome analog zum Burnout zeigen. Dieses Phänomen betiteln die zwei Herren als Boreout, welches sich durch Motivationsverlust, Gereiztheit und im schlimmsten Fall zu Schlafstörungen sowie Depressionen führen kann.
Gibt es einen Ausweg?
Natürlich kann man jetzt damit argumentieren, dass die einfachste Lösung ein Jobwechsel wäre, bei dem man sich zuvor mit seinen eigenen Wünschen und Fähigkeiten auseinandersetzt und somit eine neue erfüllende Tätigkeit ausführt. Doch manchmal ist dies nicht möglich, egal ob aus finanzieller Sicht und Verantwortung, der mauen Angebote am aktuellen Jobmarkt oder diversen anderen Gründen. Dann gibt es eine weitere Option: Job Crafting. Hierbei handelt es sich eine Methode, bei der die eigene Arbeit individuell durch die jeweilige ausführende Person gestaltet und umstrukturiert wird, um wieder mehr Spaß im Job zu finden und die innere Motivation zu erhöhen. Wie genau und warum das funktioniert, erfährst Du in unserem nächsten Blogartikel hier.
Und falls Du mehr an Bullshit-Jobs interessiert bist, gibt es hier noch zwei Empfehlungen von uns:
- Bullshit Jobs – Vom wahren Sinn der Arbeit von David Graeber im Klett-Cotta-Verlag
- Über das Phänomen unsinniger Jobs von David Graeber online hier verfügbar