“What for are positive Emotions?” – ”Wozu dienen positive Emotionen?”
Das war die zentrale Forschungsfrage, die sich die US-Psychologin Barbara Frederickson jahrelang stellte. Die Wissenschaftlerin ging der Frage auf den Grund, welche Effekte das Erleben von positiven Emotionen wie Freude, Hoffnung oder Dankbarkeit haben.
Heute wissen wir: Positive Emotionen helfen uns dabei, kognitive, soziale und emotionale Ressourcen aufzubauen. Oder einfacher formuliert: Sie tragen zum Gelingen unserer Beziehungen bei, machen uns resilienter und zufriedener und helfen uns zum Beispiel, schwierige Aufgaben im Job zu bewältigen.
So weit, so gut. Stellt sich nun die Frage: Können wir positive Emotionen bewusst erleben und nutzen? Ja! Eine junge Forschungsrichtung beschäftigt sich genau damit. “Priming Positive Emotions”-übersetzt so viel wie “Positive Emotionen hervorrufen” geht davon aus, dass auch ein gesteuertes Erleben positiver Gefühle stärkende Effekte hat. In der Psychologie bedeutet Priming so etwas wie eine sanfte Beeinflussung unseres Erlebens und Fühlens, das sich auf unser anschließendes Verhalten auswirkt.
Ein Beispiel dafür:
Ich war ungefähr 10 Jahre alt, als ich zu Beginn der Sommerferien meinen Eltern verkündete “Ich streiche mein Zimmer gelb.” Nach kurzer Überlegung waren meine Eltern einverstanden und so führte der nächste Weg in den Baumarkt. Zielsicher steuerte meine Mutter auf die Eimer mit einem zarten Hellgelb zu. “Nein”, quittierte ich das. “Richtiges Gelb. Das macht gute Laune und dann wache ich immer fröhlich auf.”
Ohne es zu wissen, hatte ich damals “Positive Psychologie” in meinen Alltag geholt. Intuitiv und ohne lange darüber nachzudenken hatte ich die Entscheidung getroffen, meine Umgebung so zu gestalten, dass sie mir einen guten Tagesstart mit Wohlfühlen und guter Laune ermöglicht. Wissenschaftler nutzen den Term “Priming”, auf Deutsch “instruieren”, “vorbereiten” oder auch “fördern”, um genau dieses Phänomen zu beschreiben. Wir beeinflussen Teile unseres Gehirns bewusst, bevor wir eine bestimmte Aufgabe erfüllen oder einer Routine folgen. Priming gibt uns also die Möglichkeit, unsere Wahrnehmung und unser Empfinden in eine bestimmte Richtung zu “lenken”.
Wie funktioniert Priming genau und wie können wir es nutzbar machen? Hier drei konkrete Ideen:
1. Priming über Worte
“Schon wieder bist Du zu spät dran. Wie immer.” Na, wem kommt das bekannt vor? Dieser Satz ist ein typisches Beispiel für Priming- in diesem Fall jedoch für seine negative Form. Die Einflussnahme über Worte ist die am häufigsten auftauchende Form von Priming, die auch als “semantisches Priming” bezeichnet wird. “Am Anfang war das Wort”, das steht schon in der Bibel und gibt einen Hinweis auf die Macht der Worte. Umgekehrt können wir selbstverständlich auch positive Affirmationen wie “Du schaffst das” oder “Ich bin gut auf die Präsentation heute vorbereitet” nutzen, um uns in eine gute Stimmung zu versetzen und so unser Erleben und Handeln zu lenken.
2. Priming über Umwelt
Welche Umgebung benötigst Du, um dich wohlfühlen zu können? Am Arbeitsplatz zum Beispiel? Häufig gestalten wir Räume und Orte unbewusst so, dass sie in uns Wohlbefinden auslösen. Für die einen ist es ein Glücksbringer, ein Bild oder eine Postkarte, für Andere ein besonders aufgeräumter Schreibtisch oder Raum. Das Priming über die Umwelt wird in der Psychologie auch “affektives Priming” genannt, da das Auslösen positiver Gefühle in der Umgebung auf eine andere, unabhängige Situation übertragen wird- so wie in meinem Beispiel mit der Zimmerfarbe.
Die Psychologin Ellen Langer konnte in einem Experiment belegen, dass sich die Wahrnehmung unserer Umwelt deutlich auf unsere Gefühlslage auswirkt. Gemeinsam mit Kollegen organisierte sie dazu einen 5-tägigen Kurztrip für Freiwillige. Die Teilnehmenden waren alles Männer Anfang 70. Auf ihrem Kurztrip waren sie umgeben von Musik, Magazinen und Filmen von vor 20 Jahren- also ihren 50ern. Sie waren auch dazu angehalten, sich in diese Zeit zurückzuversetzen. Nach fünf Tagen stellten sich bemerkenswerte Effekte ein. Die Männer verzeichneten eine bessere Konzentration, ein höheres Erinnerungsvermögen und mehr Aufmerksamkeit. Auch auf körperlicher Ebene zeigte sich Veränderung. Die Teilnehmenden hatten mehr Hör- und Sehkraft und eine verbesserte Körperhaltung. Das Erleben einer positiven Umgebung hatte also messbar positive mentale und körperliche Auswirkungen.
3. Was “primed” dich?
Wenn Du Priming für dich nutzen möchtest, ist der erste Anhaltspunkt, zu reflektieren, was oder wer dich in eine gute Stimmung bringt. Was tut mir gut? Wobei empfinde ich Glücksgefühle? Wann erlebe ich gute Gefühle? Sich bewusst zu machen, wie wir uns in eine bestimmte Stimmung versetzen können, ist hilfreich. Schauspieler oder Referenten nutzen diese Technik zum Beispiel vor einem wichtigen Auftritt. Aber auch privat kann uns Priming nutzen- besonders im Umgang mit Menschen, mit denen wir Konflikte haben. Hier kann es helfen, sich bewusst auf eine gelassene Begegnung einzustellen, um mit aufkommenden Triggern umgehen zu können. Ein guter Anfang ist zum Beispiel eine Liste mit Dingen, die positive Emotionen in uns auslösen und uns in eine gute Stimmung bringen. Das können Kleinigkeiten sein- zu einem guten Song tanzen zum Beispiel oder frische Blumen auf dem Schreibtisch. Gerade in herausfordernden (Krisen-)Zeiten können wir von kleinen Dosen positiver Emotionen profitieren.
Abgrenzung zu Manipulation
Geprimed werden wir im Alltag übrigens sehr viel häufiger, als wir zunächst annehmen. Eine hohe Serviceorientierung im Restaurant, ein persönliches Wort beim Arzt oder auch ein wohltuender Duft im Spa oder einer Drogerie- all das sind Kleinigkeiten, die sich äußerst positiv auf unsere Wahrnehmung- und natürlich auch Bewertung von Dingen, Situationen und Dienstleistungen äußern können. In diesen Beispielen geht es häufig darum, ein Kaufverhalten zu fördern. Die positiven Emotionen, die freigesetzt werden, sind dabei also Mittel zum Zweck des Konsums. Diese Situationen kritisch zu hinterfragen, hilft uns, Priming da zu erkennen, wo es hauptsächlich Anderen nutzt. Hier können wir ganz einfach die Frage stellen: löst die Umgebung oder das Gesagte ein Verhalten aus, das ich gut finde? Falls ja: Glückwunsch! Falls nein: Bremse ziehen.
Fazit
Priming wirkt! Zahlreiche psychologische Experimente konnten belegen, dass Bewusstseinslenkung funktioniert. So führte zum Beispiel das Erinnern an ein beschämendes Erlebnis dazu, dass Menschen sich häufiger waschen oder das Bewerten von Comics fiel lustiger aus, wenn Probanden einen Bleistift quer im Mund hielten, der sie automatisch zum Lächeln zwang. Priming können wir aktiv nutzen, um erwünschtes Verhalten zu unterstützen- wenn wir uns zum Beispiel mehr bewegen wollen oder zum Ziel haben, eine Fremdsprache zu lernen. Es fördert unsere Leistung und unsere Kreativität. Die Grenzen und Gefahren sollten wir dennoch nicht aus dem Blick verlieren. Besonders wenn es darum geht, andere Menschen zu beeinflussen, dürfen wir wachsam sein. Und: wer sich mit Priming auseinandersetzt (und das tust Du gerade) ist auf einem guten Weg, um gut überlegte und vor allem freie Entscheidungen zu treffen.