Im letzten Artikel haben wir Dir die erstaunliche Forschung von Dr. Gabriele Oettingen vorgestellt. In ihren Studien hatte sie eine Entdeckung gemacht, die vielem widersprach, was die allgemeine Auffassung in der breiten Bevölkerung war und ist: positives Denken muss nicht immer gut sein – es kann uns bei der Erreichung unserer Ziele sogar im Weg stehen.
Wie Dr. Oettingen im Laufe ihrer wissenschaftlichen Karriere erkannte, kommt es vor allem darauf an, auf welche Weise wir uns eine positive Zukunft ausmalen und ob wir unsere positiven Visionen mit einem realistischen Plan zur tatsächlichen Erreichung dieser Ziele kombinieren. Träume und positive Visualisierungen können durchaus einen positiven Nutzen haben. Durch sie können wir uns in zukünftige Situationen hineinversetzen und unsere emotionale Reaktion auf bestimmte Reize und Erfahrungen in diesen Situation austesten.
Gewissermaßen dient uns dieser mentale Raum als „geistiger Spielplatz“, in dem wir mal die eine Route gehen, mal die andere. Mal liegen wir auf dem Sofa und stellen uns vor, wie wir als kompetenter Manager ein fokussiertes, erfolgreiches Berufsleben führen. Mal sitzen wir im Bus, blicken aus dem Fenster und rocken vor unserem inneren Auge eine Festivalbühne. Auf diese Weise können uns diese Visualisierungen helfen zu erkennen, welche Optionen uns langfristig erfüllen könnten.
Allerdings hatte Dr. Oettingens Forschung gezeigt, dass diese Form des Positiven Denkens nicht genug ist. Wenn wir bei der schönen Vorstellung stehen bleiben, uns diesem Traum hingeben und uns selbst suggerieren, dass wir unser Ziel bereits erreicht haben, werden wir als Folge weniger aktiv werden und unsere Ziele deshalb mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit erreichen. Dr. Oettingen erkannte: Positives Denken kann der erste Schritt sein auf dem Weg zur Erreichung unserer Ziele. Aber nur, wenn wir ihn noch mit drei weiteren Schritten kombinieren. Auf Grundlage ihrer jahrzehntelangen Forschung und Arbeit als Psychologin entwickelte sie eine Formel, die im Gegensatz zum simplen Positiven Denken nachgewiesenermaßen dazu führt, dass Menschen ihre Ziele eher erreichen.
Woop Woop!
Die Formel zur Erreichung unserer Ziele lässt sich mit dem WOOP-Akronym beschreiben. WOOP steht für Wish (dt. Wunsch), Outcome (dt. Resultat), Obstacle (dt. Hindernis) und Plan. In dieser Formel kombiniert Dr. Oettingen all die Erkenntnisse ihrer Forschung und die ihres Mannes, Peter Gollwitzer, der ebenfalls ein sehr angesehener Psychologie-Professor ist. Konkret vereint sie zwei Zutaten, die dieser Formel ihre wahre Kraft verleihen.
Wish: Zukunftsvision
Den ersten Schritt in der WOOP-Übung haben wir oben bereits ausführlich behandelt. Es geht darum, einen Wunsch, also ein Ziel bzw. eine positive Vision von der Zukunft zu formulieren. Zusätzlich wollen wir in diesem Schritt aber auch eine konkrete Handlung ableiten, die wir heute unternehmen können, um unserem Ziel näher zu kommen. Hast Du z.B. das Ziel, langfristig gesünder zu leben, dann nehme Dir für heute und die kommenden Tage vor, zu jeder Mahlzeit auch eine Portion Gemüse oder Obst zu essen.
Outcome: Emotionale Ladung
Im nächsten Schritt, Outcome bzw. Resultat, geht es darum, diese Vision noch einmal mit einer besonders starken emotionalen Ladung zu versehen. Bei vielen Visualisierungsübungen wirst Du dazu angehalten, Dir die Zielerreichung so lebhaft und detailreich wie möglich vorzustellen. Genau das wollen wir auch hier erreichen. Wie möchtest Du Dich fühlen, wenn Du aktiv geworden bist und die oben beschriebene Handlung zur Erreichung Deiner Ziele durchgeführt hast? Vielleicht fühlst Du Dich nach einem gesunden Mittagessen oder Workout nach der Arbeit deutlich fitter und vitaler? Vielleicht bist du stolz darauf, Deine guten Vorsätze eingehalten zu haben? Vielleicht wirst Du von einer Kollegin auf Deinen gesunden Lebensstil und die sichtbaren Erfolge angesprochen? Nimm Dir hier ruhig einen Moment Zeit, um Deine Begeisterung für Deine Vision voll aufzubauen.
Obstacle: Mentales Kontrastieren
An diesem Punkt würden normale Visualisierungsübungen nun meistens stehen bleiben – und den geringen oder sogar negativen Effekt auf Dein Verhalten und Deine Emotionen verursachen, die wir im letzten Artikel ausführlich beschrieben haben. In der WOOP-Übung geht es jetzt aber mit dem nächsten Schritt weiter: Obstacle bzw. Hindernis. Hier kommt die erste Zutat ins Spiel, die der WOOP-Formel ihre Wirksamkeit verleiht – das Mentale Kontrastieren. Denk einmal an die Frauen aus der Studie zurück, die an einem Abnehmprogramm teilnahmen! Wieso hatten es die Frauen, die ihre Probleme stärker antizipiert hatten, letztendlich leichter abzunehmen und ihre Ziele zu erreichen? Der Grund ist, dass diese Frauen Mentales Kontrastieren praktiziert hatten.
Mentales Kontrastieren bedeutet, dass Du Dir im ersten Schritt eine rosige Zukunft ausmalst. Im zweiten Schritt visualisiert Du dann aber mögliche Hindernisse, die zwischen Dir und Deinem Ziel auftreten könnten. Das bewirkt zwei Dinge. Zum einen erkennst Du, dass Du tatsächlich einiges an Zeit und Ressourcen wirst investieren müssen, um Dein Ziel zu erreichen, und dass Dir dieses nicht einfach so zufliegen wird. Dr. Oettingen fand heraus, dass so das Energielevel der Personen, die diese Übung durchführten, weiterhin auf einem hohen Niveau blieb. Zum anderen hat dieser Schritt die Folge, dass Dich diese Hindernisse nicht kalt erwischen, wenn Du einmal nach einem anstrengenden Alltag nach Hause kommst und Deine Motivation und Energie niedrig ist. Du hast sie bereits antizipiert und kannst Dir im nächsten Schritt Maßnahmen überlegen, wie Du mit diesen Hindernissen umgehen kannst, wenn sie auftreten. Darum geht es dann auch im nächsten Schritt…
Plan: Implementierungsintentionen
Die Zutat, die Dir im letzten Schritt „Plan“ hilft, Dich gegen mögliche Hindernisse zu wappnen, sind „Implementierungsintentionen“. Dass es auf Deinem Weg zum Erfolg viele spontan auftretende Hürden gibt ist der Normalfall, keine Ausnahme. Die Frage ist, wie Du in diesen Situationen reagierst. Hier kommen Implementierungsintentionen ins Spiel.
Implementierungsintentionen sind Wenn-Dann-Formulierungen, in denen du ganz konkret beschreibst, was, du wann und wie machen wirst. Angewandt auf diese Übung bedeutet das, dass Du all die Hindernisse aufschreibst, die Du im vorherigen Schritt identifiziert hast („WENN ich von der Arbeit nach Hause komme und müde und demotiviert bin…“) und für sie einen konkreten Plan formulierst, wie Du auf sie reagieren wirst („…DANN werde ich meine vorher bereits rausgelegten Sportsachen trotzdem anziehen und zumindest für 5 Minuten vor die Haustüre gehen.“).
WOOP: eine simple Routine zur Erreichung Deiner Ziele
Sobald Du diese vier Schritte verinnerlicht hast, kann es eine Sache von zwei bis drei Minuten sein, diese Übung einmal zu Beginn des Tages oder in der Mittagspause durchzuführen und Dich mental auf die kommenden Stunden vorzubereiten. So kalibrierst Du Dich erneut auf den vor Dir liegenden Tag ein und stellst sicher, dass Deine Handlungen mit Deinen langfristigen Zielen im Einklang stehen und Du diese wirklich erreichst. Das zeigt auch die Forschung. Dr. Oettingen hat über die Jahre einen ganzen Blumenstrauß an positiven Effekten zusammengetragen, die die oben genannten Schritte in dem Leben der Versuchsteilnehmenden bewirken. Diese Menschen leben gesünder, sie haben erfüllendere Beziehungen, zeigen eine höhere Leistung in verschiedenen Lebensbereichen und berichten weniger depressive Symptome.
Ich habe letztendlich also eine gute Nachricht an Dich. Ja, mit der Übung zu Beginn des letzten Artikels habe ich dir eventuell ein paar Steine in den Weg gelegt, was die Erreichung Deiner Ziele und Träume angeht. Dafür entschuldige ich mich. Aber Du hast jetzt die Möglichkeit, einmal die übrigen drei Schritte der WOOP-Formel für Dich auszuprobieren – und so einen wahren Boost für Deine Ziele zu erreichen. Lass es uns doch gerne wissen, was Deine Erfahrungen mit der Übung waren!