Heute stellen wir dir das „Gegengift“ für Bullshit-Jobs und sinnlose Tätigkeiten vor: Job-Crafting (im Deutschen sinngemäß „die Arbeit/den Arbeitsplatz gestalten“). Falls Du nicht weißt, was mit Bullshit-Jobs gemeint ist, gibt es hier in Teil 1 dieses Themas die Auflösung.
Bitte was ist Job-Crafting?
Der Begriff Jobcrafting stammt von Amy Wrzesniewski und Jane E. Dutton, welche in der Yale School of Management folgende Ausgangsthese aufgestellt haben: Den idealen Traumjob gibt es in keinem Unternehmen der Welt, aber man kann sich diesen selbst erschaffen. Es wird hier und dort Probleme, Konflikte oder Aufgaben geben, die nicht immer Spaß machen. Doch der springende Punkt ist jener, dass diese Aspekte nur temporär auftreten und nicht zur „chronischen Belastung” werden. Wenn akut Frust und Demotivation in deiner aktuellen Tätigkeit auftritt, musst Du nicht gleich das Handtuch werfen, sondern proaktiv etwas daran ändern.
Zaubermittel?
Und genau in solch einem Fall hilft die Methode des Job-Craftings, welche heute in der Organisations-, Wirtschafts- und Arbeitspsychologie zuhause ist und unterschiedliche Bereiche der Nutzung verzeichnet. Die Kernidee besagt laut Wrzesniewski und Dutton, dass es immer möglich sei, kleine Anpassungen am eigenen Job vorzunehmen – sodass Arbeit sich optimal an die eigene Motivation und Stärken anschließe. Es ist also der Versuch, die größtmögliche Passung zwischen dem/der Arbeitnehmer:in, der Tätigkeit und dem Unternehmen herzustellen. In den nächsten Zeilen folgt ein kleiner Überblick über das Konstrukt, die Anwendungsmöglichkeiten, Vorteile aber auch Stolpersteine.
Die Definition von Job-Crafting unterscheidet sich in der genauen Formulierung von Quelle zu Quelle etwas, doch die folgenden Aspekte sind allen Bezeichnungen gemein:
- Eine aktive und individuelle (Um)-Gestaltung und Verbesserung der eigenen Tätigkeit
- Mit einer aktiven Bemühung aus persönlichen, inneren (intrinsischen) Motivationsgründen
- Es handelt sich um einen fortlaufenden Prozess
- Die Art und Weise sowie der Erfolg dieses Art und Gelingen dieses Prozesses hängen von der individuellen Persönlichkeit ab (je nach Offenheit, Eigeninitiative und Selbstvertrauen)
- Schlussendlich soll die individuelle Motivation gefördert werden und die Arbeit mehr/weiterhin Spaß machen, da die eigenen Stärken miteinbezogen wurden
Vorteile über Vorteile
Bereits 2017 konnten in Meta-Analysen positive Effekte bei der Nutzung von Job-Crafting wissenschaftlich erkennbar gemacht werden. Insbesondere zeigt sich eine höhere Arbeitszufriedenheit, größeres Engagement in der Arbeit sowie eine bessere Arbeitsleistung. Zudem erhöht sich die Motivation und die Wahrnehmung von Sinnhaftigkeit, was sich wiederum auf die Leistung auswirkt.
Im Umkehrschluss können dadurch auch Stress reduziert und möglichen Burnouts präventiv den Kampf angesagt werden. Eine Studie der Universität St.Gallen konnte zeigen, dass bereits ein halbes Jahr später die eigene Gesundheit von Job-Craftern um 11% besser eingeschätzt wurde als von Nicht-Häufigen Job-Craftern. Zudem steckt Job-Crafting meist das Umfeld an und färbt auf interessierte Kolleg:innen ab. Und zu guter Letzt noch eine weitere positive Nachricht: Forscher:innen der Penn State Universität in den USA konnten zeigen, dass durch das aktive Job Crafting auch gute Mitarbeiter durch anfängliche Fehlbesetzungen geformt werden können.
Arten von Job-Crafting
Grundsätzlich lassen sich drei unterschiedlichen Ebenen des Job-Craftings kategorisieren:
- Task Crafting bezieht sich auf Veränderungen des Aufgabenbereiches und zeigt sich in Anpassungen der Aufgaben in ihrer Art, Anzahl, Umfang oder Reihenfolge
- Relational Crafting bezieht sich auf die Veränderung der Arbeitsbeziehungen, sodass es zu Verbesserungen der Zusammenarbeit als auch der Kommunikation teamintern kommt, und folglich Konflikte zu lösen und für Harmonie zu sorgen
- Cognitive Crafting bezieht sich auf die Veränderung der Wahrnehmung der Arbeit, indem man seiner Tätigkeit Sinn verleiht und Aspekte fokussiert, die diese Denkweise unterstützen
Diese Ebenen wirken zusammen als Motivationsschub, da sie als sinnstiftend wahrgenommen werden und somit die eigene Arbeit aufgewertet wird. Ein Beispiel für die eigenständige Erweiterung des Tätigkeitsspektrums könnte z.B. folgende Situation sein: Eine Angestellte ist an Marktforschung derartig interessiert, dass diese Umfragen auf ihrem Linked-In durchführt, und anschließend die Ergebnisse dem gesamten Team zur Verfügung stellt, damit dieses damit arbeiten kann. Oder aber ein Hausmeister, der gerne zuhört, und sich somit den Sorgen der anderen Kolleg:innen annimmt, kann auch als gelungenes Beispiel für Job-Crafting gesehen werden.
Aber Achtung!
Es sollte immer eine selbstbestimmte Entscheidung der jeweiligen tätigen Person sein. Das heißt, der/die Mitarbeiter:in entscheidet selbst über das Jobcrafting! Denn stammt die Motivation von Vorgesetzen oder Führungskräften der obersten Abteilung, kann sich dies negativ auswirken.
Und wie läuft Job-Crafting jetzt eigenlich ab?
Grundsätzlich zeigt sich der Prozess des Job-Craftings im Allgemeinen als folgender Ablauf:
- Analyse der Arbeitsaufgaben
- Welche Aufgaben sind vorhanden? Wichtige Berücksichtigung: Zeitaufwand der Aufgaben und Auswirkungen auf das Unternehmen
- Identifikation eigener Stärken
- Idealerweise durch Befragung von Vorgesetzten, Arbeitskolleg:innen, Freund:innen oder Familie
- Analyse des Ist-Zustandes
- Wie können die erhobenen Stärken mit den Arbeitsaufgaben kombiniert werden? Wie viel Zeit ist für mögliche Versuche zur Verbesserung/Veränderung eingeplant? Wo schlummert Potenzial?
- Durchführung von Peer-Coaching um alle „in das Boot zu holen“ und zu erläutern, welches Verbesserungspotenzial dies für das Team mit sich bringt
- Definition von konkreten Job-Crafting Zielen basierend auf vorangegangener Analyse
- Möglicherweise Neugestaltung bestimmter Job-Elemente
- Teaminterne Abstimmungen für mögliche neue Zusammensetzungen von Teams, Aufgaben und Rollen
- Umsetzung des Job-Craftings im Alltag
- Reflexion, Bewertung und Festigung des Prozesses
Einfach mal nachfragen…
Wir möchten dir zusätzlich einen Einblick in mögliche Wege geben, wie man Job-Crafting Schritt für Schritt im Berufsalltag integrieren kann. Mit einfachen Fragen zu unterschiedlichen Bereichen können erste Schwachstellen, Vorstellungen, Ideen etc. wahrgenommen werden, um anschließend mit den Antworten weiterzuarbeiten. Allein mit der Auseinandersetzung derartiger Fragen kann der Job bereits verbessert werden.
Aufgaben-Bezogen
- Welche Aufgaben möchte ich selbstständig abarbeiten? Gibt es Aufgaben, welche ich zusätzlich übernehmen möchte?
- Wie kann ich meinem Team (intensiver) helfen; wo kann ich Verantwortung übernehmen?
- Welche Möglichkeiten gibt es zur Vereinfachung von komplexen Aufgaben?
Umfeld-Bezogen
- Welche Personen inspirieren mich? Was kann ich mir von diesen abschauen?
- Gibt es Möglichkeiten, die Beziehungen zu meinen Kolleg:innen zu verbessern/zu stärken?
- Was bringe ich mit für das Team? Was kann ich dem Team anbieten?
- Gibt es Kolleg:innen mit denen ich häufiger zusammenarbeiten möchte und falls ja, wie lässt sich dies realisieren?
Eigene Werte & Visionen
- Wo liegen meine Schwächen und Stärken?
- Warum möchte ich diesen Beruf ausüben?
- Was verleiht meiner Tätigkeit Sinn? Bzw. was würde mehr Sinn kreieren?
- Was stört mich momentan am meisten und was würde mich zufriedener machen?
Arbeitsplatz-Bezogen
- Welche Möglichkeiten gibt es, um meinen Arbeitsalltag zu vereinfachen oder meinen Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten?
- Gibt es Arbeitszeiten, die ich präferieren würde oder mit Kolleg:innen tauschen möchte/kann?
Zudem gibt es weitere Methoden oder Aufgabenstellungen für die drei großen Bereiche des Task-; Relational-, und Cognitive Crafting, die angepasst, erweitert oder verändert werden können, aber dies würde den Rahmen des Artikels sprengen. Also bei Interesse einfach mal selbst recherchieren, wie man diese Ebenen reflektieren und verändern kann.
Berufung im Beruf?
Generell gilt aber, dass nicht jeder Mensch im Beruf seine Berufung finden kann, denn das birgt ein starkes Werturteil, wobei es gar nicht möglich ist, dass jeder Mensch seiner Berufung nachgeht, so wie die aktuell Arbeitswelt beschaffen ist. Auch sind gar nicht alle Menschen darauf aus, ihrem Leben durch Arbeit Sinn zu verleihen, jedoch sollten sie selbst darüber entscheiden können, ob sie einen sinnstiftenden Beruf machen wollen oder nicht. Im Grunde geht es darum, einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Aufgaben, die anfallen, und der Frage, was diese Aufgaben in ihrer Gesamtheit bewirken, oder welchen Nutzen sie am Ende haben, herzustellen. Oft verbessern die Menschen ihre Arbeit in ihrem Sinne, indem sie Aufgaben übernehmen, die sie eigentlich gar nicht machen dürfen oder die ihre Zuständigkeiten überschreiten. So nehmen sich etwa Reinigungskräfte in einem Krankenhaus oft Zeit, um mit den PatientInnen und ihren Familien zu sprechen und dass sie auch bei ihrer Arbeit genau darauf achten, wem es nicht so gut geht. Für diese Reinigungskräfte ist es also sinnstiftend, die PatientInnen aufzuheitern, ihnen zuzuhören oder sie zu trösten, d. h., sie haben eigenständig Aufgaben übernommen, die in den Bereich der Pflege fallen und das hat ihre Einstellung zu ihrer Arbeit komplett verändert.
Fazit
Job-Crafting ist keineswegs ein einmaliger Punkt auf der To-Do Liste, sondern ein länger anhaltender Prozess, bei dem Veränderung und Optimierung kontinuierlich an der Tagesordnung stehen. Eine gesunde Fehlerkultur kann hier unterstützend wirken, denn es gibt möglicherweise Rückschläge oder Stolpersteine im Laufe dieses Prozesses. Das ist in Ordnung, ganz nach dem Motto „Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.“. Bereits kleine Anpassungen können große Auswirkungen mit sich bringen. Hierfür können Teamkolleg:innen aber auch Vorgesetzte mit Feedback weiterhelfen und unterstützend wirken. Und nicht vergessen, Job-Crafting ist eine selbstbestimmte Entscheidung des/der Mitarbeiter:in. Zusammenfassend gehe es laut den zwei Begründerinnen darum, die Menschen darin zu unterstützen, die eigene Arbeit motivierend und aktiv mitzugestalten anstelle die Menschen zur Arbeit zu motivieren.
Literatur
Falls Du dich noch zusätzlich für die wissenschaftliche Seite dieses Themas interessierst, gibt es hier noch einige literarische Empfehlungen von uns:
Amy Wrzesniewski, Justin M. Berg, Jane E. Dutton: Managing Yourself: Turn the Job You Have into the Job You Want. (In Harvard Business Review, Juni 2010)
Harzer, C., & Ruch, W.: The application of signature character strengths and positive experiences at work. (In Journal of Happiness Studies, 14, 2013, 965–983)
Rudolph, Cort W., Katz, Ian M., Lavigne, Kristi N. & Zacher, Hannes: Job crafting: A meta-analysis of relationships with individual differences, job characteristics, and work outcomes. (In Journal of Vocational Behavior, 2017)
Wrzesniewski, Amy & Dutton, Jane E.: Crafting a Job: Revisioning Employees as Active Crafters of Their Work. (In: The Academy of Management Review, 26, 2001, 179-201)