Der Wald ist unsere Lunge, Lebensraum für Tiere und Pflanzen und: pure Medizin! 11,4 Millionen Hektar Wald gibt es in Deutschland und der ist wichtig für unser Klima, denn er bindet riesige Mengen an klimaschädlichem CO2. Nach den Ozeanen ist der Wald der größte Kohlenstoffspeicher der Erde – also ein echter Klimaretter. Und nicht nur das: Der Wald ist auch richtig gut für unsere Gesundheit. Er stärkt unser Immunsystem, macht uns widerstandsfähiger und entspannter. Die Bewegung an der frischen Luft wirkt sich auf verschiedenen Ebenen positiv aus:
Biologische Effekte
Die Technische Universität München hat zum Beispiel herausgefunden, dass der Wald unsere natürlichen Killerzellen anregt, wodurch Abwehrkräfte gegen Viren gebildet werden. Beim “Sich-treiben-Lassen“ im Wald erleben wir außerdem echte Entspannung, was wiederum die Ausschüttung von Cortisol, unserem Stresshormon, hemmt. Außerdem sinken Blutdruck und Puls. Das macht uns im Alltag ausgeglichener und zufriedener.
Psychische Effekte
Wald und Wiese gelten als echte “Seelenrastplätze”. Gemeint ist damit die Naturerfahrung, die sich positiv auf unsere Resilienz, also unsere Widerstandsfähigkeit, auswirkt. Das ergibt die Forschung der Umweltpsychologen Rachel und Stephen Kaplan, die 1989 die erste wissenschaftlich fundierte Studie zu den Auswirkungen der Natur auf die seelische Gesundheit veröffentlicht haben. Während wir auf körperlicher Ebene unseren Hormonspiegel ausgleichen, bauen wir gleichermaßen Ressourcen auf, um mit herausfordernden Situationen konstruktiv umgehen zu können. Dies geschieht besonders durch Achtsamkeit, also das wertfreie Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments. Der Wald wird mittlerweile sogar als therapeutisches Mittel genutzt – mittels einer virtuellen „Waldwelt“ werden zum Beispiel Angststörungen behandelt.
Soziale Effekte
Auch auf gemeinschaftlicher Ebene kann uns der Wald einen echten Nutzen bieten. Das Erleben von Natur, verbunden mit Bewegung, stärkt nämlich unsere Selbstwirksamkeit, also das Gefühl, wertvoll und kompetent zu sein. Das wiederum ist eine wichtige Voraussetzung für gelingende soziale Beziehungen. Und: Beim gemeinsamen Spazieren im Wald erleben wir Verbundenheit auf gleich mehreren Ebenen – zu uns selbst, zur Natur und zu denjenigen, mit denen wir unterwegs sind. Die Interaktion im Wald macht uns außerdem offener gegenüber Anderen und hebt unsere Frustrationstoleranz.
Der Aufenthalt im Wald ist also eine ganzheitliche Body-Mind-Medizin.
Das Waldbaden ist ein Trend aus Japan. “Shirin Yoku” wird dort schon seit den 1980er Jahren praktiziert, um den Wald über alle Sinneskanäle wahrzunehmen und damit für Entschleunigung und Wohlbefinden zu sorgen. Mittlerweile ist das Baden im Wald auch in vielen europäischen Ländern verbreitet, denn: der Wald liegt im Trend! Die Covid-19- Pandemie und die damit einhergehenden Lockdowns haben unserem Wald eine echte Renaissance beschert. Und die setzt sich fort: Längst haben auch Unternehmen und Freizeitanbieter die Nachfrage erkannt und so floriert das Angebot an Erlebnisangeboten, Waldpädagog*innen und Guides, die das Wald-Bad betreuen. Gerade für Kinder und Jugendliche ist die Bewegung an der frischen Luft oft eine Seltenheit geworden. Eine Studie zeigt, dass gut 70 Prozent der Kinder in der westlichen Welt weniger Zeit im Freien verbringen als Insassen von Hochsicherheitsgefängnissen in den Vereinigten Staaten. Im Umkehrschluss kann das nur eins bedeuten: Nichts wie raus! Doch wie können wir den Aufenthalt im Wald konkret nutzen? Hier kommen drei kleine Übungen für dich, damit aus Wald eine echte Wohltat wird:
1. Der Barfuß-Pfad
“Wenn man so ganz allein im Walde steht, begreift man nur sehr schwer, wozu man in Büros und Kinos geht. Und plötzlich will man all das nicht mehr!” (Erich Kästner)
Unser Alltag ist häufig so durchstrukturiert und mit To-Do’s gefüllt, dass es uns schwerfällt, unsere Umgebung bewusst wahrzunehmen. Dazu kann es hilfreich sein, sich gezielt auf nur einen “Sinneskanal” zu fokussieren. Im Wald gelingt das zum Beispiel durch einen selbst gewählten Barfuß-Pfad. Wähle dazu ein Waldstück aus, das einen weichen, moosartigen Untergrund bietet. Gehe dann barfuß einige Meter den Waldboden entlang. Wie fühlt er sich an? Was verändert sich, wenn Du den nächsten Schritt wagst? Das Berühren des Waldbodens hat oft einen erdenden Effekt. Und ganz nebenbei trainiert es noch unsere Fußmuskulatur, die in unseren gefederten Schuhen häufig zu wenig gefordert ist.
2. Der Wald für Zuhause
Wähle für diese Übung bewusst einige Dinge im Wald, die Du mit nach Hause nehmen kannst. Etwas Moos, einen Tannenzapfen, ein leeres Schneckenhaus oder ein paar Eicheln. Auch mit Kindern lässt sich diese Idee wunderbar umsetzen. Wenn Du die gesammelten Schätze zuhause in einem Glas oder einer Schale arrangierst, entsteht eine Miniatur-Landschaft, die an deinen Besuch im Wald erinnert. Die Forschung zeigt uns, dass solche visuellen Anker die Erinnerung an schöne Erlebnisse zurückbringen und positive Emotionen wie Freude oder Dankbarkeit auslösen. Das wiederum trägt zu einem positiven Selbstbild bei, wie die Psychologin Carol Dweck belegen konnte.
3. Die Sinnesmeditation
“Between Stimulus and response there is a space”. Das hat der österreichische Psychiater und Neurologe Viktor Frankl gesagt. Um Wald und Wiese bewusst wahrzunehmen, eignet sich eine Sinnesmeditation. Suche dir hierzu ein Wiesenstück, das dir gefällt und auf dem Du einen festen Stand hast. Stell dich aufrecht hin, die Beine hüftbreit auseinander. Schließe nun die Augen und konzentriere dich auf deine Fußsohlen. Nimm dann ein paar Minuten ganz bewusst wahr, was um dich herum geschieht und nutze dabei alle deine Sinne. Wie fühlt sich der Boden an, auf dem Du stehst? Wie ist dein Atem? Ist die Luft um dich herum eher kalt oder warm? Wonach riecht es? Eine kleine Hilfe ist auch die 5-4-3-2-1-Regel, falls Du den Fokus verlierst. Damit kannst Du dich bewusst fragen:
– Welche 5 Dinge sehe ich?
– Welche 4 Dinge höre ich?
– Welche 3 Dinge fühle ich?
– Welche 2 Dinge rieche ich?
– Welches 1 Ding schmecke ich?
Nimm dann noch ein paar tiefe Atemzüge und finde dann einen für dich stimmigen Abschluss deiner Sinnesreise.
Fazit
Übrigens: Im Alltag muss es gar nicht immer ein ausgiebiger Spaziergang im Wald selbst sein – auch Mikro-Dosierungen, zum Beispiel im eigenen Garten, einem kleinen Park oder auch einem begrünten Balkon zeigen schon positive Effekte. Außerdem: Der Wald hat längst auch Einzug in die digitale Welt gehalten. So gibt es auf YouTube und anderen Streaming-Anbietern beispielsweise atmosphärische Waldklänge und eindrückliche Filmszenen zwischen drei und neunzig Minuten Länge. So wird der Wald auch bei schlechtem Wetter oder einem kleinen Zeitfenster erlebbar. Zum Abschluss bleibt uns nur noch zu sagen: Ein respektvolles Verhalten gehört selbstverständlich zu jedem Besuch von Wald und Wiese dazu. Damit der Wald das bleibt, was er heute ist: Kraftquelle und Lebensraum für Mensch und Tier.